Tipp: Warum Projekte nicht funktionieren

Was denken Sie, wann der Flughafen in Berlin fertig wird? Der Nutzen dieses deutschlandweit diskutierten Projektmanagement-Desasters ist, dass es als Anhaltspunkt dienen kann, welche Fehler man bei der Planung eines Projektes besser nicht macht. Natürlich verfügen wir nicht über Einblicke bei diesem spezifischen Fall, möchten aber aus unserer Erfahrung typische Weichenstellungen schildern, mit denen Projekte manchmal schon im Ansatz in Schieflage und Schwierigkeiten geraten. Bedenken Sie in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland im Schnitt 60% aller Projekte scheitern oder zumindest nicht in der vereinbarten Zeit, der definierten Qualität und den budgetierten Kosten abgeschlossen werden.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und der Reflexion und freuen uns natürlich, wenn wir dazu beitragen können, dass Sie Ihre Projekte im Griff behalten.

1. Top-Down-Entscheidung statt sauberes Handwerk

Öfter als man denken sollte, beginnt die Projektplanung mit der Bürde eines fest definierten Zieltermins. Jemand auf der Auftraggeberseite hat – manchmal gezwungenermaßen, manchmal ohne Not, manchmal um sich gut darzustellen – einen Termin festgelegt, ohne dass ein Projektteam existiert, eine angemessene Zeitplanung erstellt wurde und die Projektziele konkret festgeschrieben wurden.

Die Folge ist, dass der Projektmanager sofort unter dem Druck steht, diesen „vom Himmel gefallenen“ Termin zu halten und eine Projektplanung abzugeben, die realistisch betrachtet möglicherweise gar nicht einzuhalten ist. Diese Situation führt in der Folge zu den im Weiteren beschriebenen Effekten, die sich im Verlauf eines Projektes manchmal bitter in Form von Kostenexplosionen, Zeitüberschreitungen und Qualitätsmängeln rächen können (oder alles zusammen, siehe Berliner Flughafen).

Besser: Definieren Sie klar, was das Projekt leisten soll, stellen Sie ein Team zusammen und lassen Sie den Projektmanager einen Zeitplan erarbeiten. Wenn der Endtermin dann nicht in Ihren Zielkorridor passt, optimieren Sie zusammen mit dem Team den Ablauf, schauen Sie, ob Sie einzelne Ziele eventuell in eine zweite Projektphase verschieben können und prüfen Sie, ob mehr Ressourcen die Umsetzung beschleunigen können. Erst dann legen Sie den Zieltermin endgültig fest.

2. Unterschätzen von Zeitaufwänden für Projektaktivitäten

Fast standardmäßig werden in Unternehmen die Zeitaufwände in Projekten unterschätzt. Psychologisch ist das natürlich nachvollziehbar, wer will schon als Bedenkenträger dastehen. Optimismus ist sicher eine gute Eigenschaft, hat aber in der Projektplanung nichts zu suchen. Je wichtiger die Termineinhaltung ist, desto konservativer muss die Abschätzung der benötigten Aufwände sein. Hilfreich kann es auch sein, eine Betrachtung des Best Case, des Worst Case und des Real Case vorzunehmen. Damit kann sichergestellt werden, dass man nicht zu blauäugig in das Projekt zu starten.

Und machen Sie sich nichts vor: Kein Projekt läuft wie geplant. Wenn Sie dann keine Pufferzeiten eingeplant haben, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit Ihren Zieltermin reißen.

Besser: Schätzen Sie realistisch (nicht fatalistisch) die Aufwände und planen Sie Pufferzeiten ein (nicht für jede Aktivität, aber für die kritischen Tasks und noch einen Gesamtpuffer für das ganze Projekt).

3. Überschätzen von Ressourcenverfügbarkeiten

Noch eine psychologische Falle: Meist wird stillschweigend davon ausgegangen, dass die Projektmitarbeiter die ihnen zugeordneten Aufgaben unabhängig von deren Ausmaß zeitgerecht bearbeiten können. Wie unrealistisch das ist, sollte eigentlich jedem klar sein. Ressourcen stehen niemals komplett zur Verfügung, sie haben immer weitere Aufgaben, die mit den Projekttätigkeiten koordiniert werden müssen (Wer hätte sie sonst eingestellt, wenn sie nur auf neue Projekte warten und sonst Daumen drehen?), sind auch mal krank oder im Urlaub. Natürlich kann man hier mit weiteren Ressourcenzuordnungen gegenwirken, aber das funktioniert nur in bestimmten Grenzen. Oder glauben Sie, dass neun Frauen zusammen ein Kind in einem Monat „liefern“ können?

Besser: Kalkulieren Sie die Ressourcenverfügbarkeit höchstens mit 50-60% – und das kann bereits völlig unrealistisch sein, abhängig von der spezifischen Arbeitslast in Ihrer Organisation. Das wird die Projektlaufzeit natürlich verlängern, wird Ihnen aber ersparen zu erklären, warum das Projekt nicht rechtzeitig fertig geworden ist und eventuell irgendwann auch, warum es eine so hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern gibt, wenn diese Arbeitslast dauerhaft besteht.

4. Fehlende Einbindung von Dienstleistern und Lieferanten

Ebenso wie interne Ressourcen braucht fast jedes Projekt auch externe Ressourcen. Oft werden diese aber viel zu spät eingebunden und deren Aktivitäten ohne den notwendigen Input hinsichtlich Zeit, Kosten und spezifischer Kompetenz geplant. Grundsätzlich hat das ähnliche Folgen wie bei internen Mitarbeitern. Letztere können Sie allerdings im Zweifel von anderen Themen abziehen und in einer ad-hoc-Aktion dem Projekt zuordnen. Das dürfte Ihnen bei externen Dienstleistern deutlich schwerer fallen, denn diese planen Ihr Projekt in deren Zeit- und Ressourcenplan ein und werden sicher nicht unbegrenzte Überkapazitäten vorhalten können, auf die Sie im Problemfall zugreifen können. Deshalb sollten Sie Ihre Dienstleister über das gesamte Projekt auf dem Laufenden halten (auch bei Zeitverschiebungen). Die meisten Dienstleister honorieren diese Wertschätzung, indem sie Ihnen bei unvorhergesehenen Situationen unbürokratisch helfen.

Zusätzlich ist der Dienstleister in der Regel nicht nur eine Ressource, sondern auch ein Kompetenzträger, der Sie an den Stellen im Projekt unterstützt, wo Ihnen die Kompetenz fehlt. Wenn Sie diese Kompetenz nicht schon in der Planungsphase nutzen, laufen Sie Gefahr, im Projekt relevante Tasks zu vergessen oder zumindest die Aufwände falsch einzuschätzen.

Besser: Sprechen Sie frühzeitig mit Ihren externen Ressourcen, nutzen sie deren Erfahrung und Kompetenz bei der Planung und informieren Sie diese über Änderungen im Zeitplan, damit auch dort die Planung angepasst werden kann und die Ressourcen Ihnen dann zur Verfügung stehen, wenn Sie sie brauchen.

5. „Politischer“ Druck auf die Kostenabschätzung

Nicht nur auf den Zieltermin herrscht oft ein massiver Druck, auch die Kostenseite wird häufig „politisch“ (oder firmenpolitisch) bestimmt. Das führt dann häufig dazu, dass sich im Projektverlauf eine Kostenexplosion zeigt, man aber aus der Nummer nicht mehr herauskommt, weil man schon so viel Geld ausgegeben hat, dass die Einstellung des Projekts teurer würde als die Fortführung. Man wirft also zwangsläufig der schlechten Investition weiteres gutes Geld hinterher. Erinnern Sie sich noch an „Stuttgart 21“? Da konnten Sie diesen Prozess live am Fernseher verfolgen (Schlichtungsverfahren von Heiner Geissler mit der Deutschen Bahn und den Gegnern des Bahnhofsneubaus).

Besser: Verkaufen Sie Ihre Stakeholder nicht für dumm! Kalkulieren Sie die Kosten ebenso wie die Zeiten in Punkt 2 dieser Liste und konzentrieren Sie sich darauf, immer den Nutzen zu argumentieren. Denn wenn Sie das nicht zu Beginn tun, werden Sie später von dne Stakeholdern dazu gezwungen – unter erheblich konfrontativeren Vorzeichen.

 

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Projekten und drücken Ihnen die Daumen, dass Sie vor allem in der Planungsphase sicher navigieren! In der Durchführung holen Sie diese Zeit meist mehrfach wieder herein!